Die Baltischen Staaten

Wirtschaft

Zur Lage im Baltikum

Nachdem die drei baltischen Staaten nach 1989 / 90 ihre Unabhängigkeit von der Sowjetunion besiegeln konnten und die sowjetischen Truppen abgezogen waren, ist die Region dabei, sich zu einem interessanten Zielmarkt der Schweizer Exportwirtschaft zu entwickeln und als Plattform im Handel mit der russischen Föderation und der Ukraine zu wirken. Voraussetzung ist, dass die vorhandenen Möglichkeiten erkannt, verifiziert und gefördert werden.

Nach ersten Jahren enthusiastischer Selbständigkeit ist die Bewältigung der Zukunft für diese Länder schwieriger und mühsamer geworden. Sie mussten erkennen, dass es gilt, sich neu dem internationalen Wettbewerb im Osten und im Westen zu stellen. Nach Jahren der Rezession und Anpassungsschwierigkeiten an die europäischen Verhältnisse verzeichnen die baltischen Volkswirtschaften jetzt wieder steigende Wachstumszahlen.

Ohne Transferleistungen in Kredit und Know-how würden diese Länder aus ihrem boomenden Höhenflug rasch in Arbeitslosigkeit, soziale Probleme, Armut und Vetternwirtschaft abdriften. Erste Anzeichen in diese Richtung zeichneten sich selbst in Estland ab. Aber dank der wirtschaftlich verstärkten Ausrichtung ist man auf dem Weg nach oben..

Die Rahmenbedingungen im Hinblick auf Kompatibilität mit dem Westen, Rechtssicherheit, Meistbegünstigung, befristete Steuerbefreiung und entsprechende Unterstützung gegenüber und durch westliche Investoren lassen noch immer erheblich zu wünschen übrig.

Dennoch: Am 1. Mai 2004 wurden die drei baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen im Zuge der sog. Osterweiterung in die Europäische Union (EU) aufgenommen.

Freihandelsabkommen Schweiz-Estland

Seit dem 21. Dezember 1992 besteht ein Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Republik Estland über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen. Der Warenaustausch mit der Schweiz hat seit Inkrafttreten des Freihandelsabkommens am 1. April 1993 sprunghaft zugenommen. Signalwirkung für diese positive Entwicklung hatte die Vertretung Estlands als Gastland der Mustermesse in Basel im Jahr 1994.

s. auch Handelsübereinkunft zwischen der Schweiz und Estland vom 14. Oktober 1925
s. auch Handelsübereinkunft zwischen der Schweiz und Lettland vom 4. Dezember 1924
s. auch Doppelbesteuerungsabkommen zwischen der Schweiz und Lettland
s. auch Botschaft über ein Doppelbesteuerungsabkommen mit der Republik Lettland

Wirtschaftskontakte Schweiz-Baltikum

Die Tätigkeiten der Swiss Baltic Chamber of Commerce stösst zwar auf reges Interesse beiderseits und eröffnet die verschiedensten Möglichkeiten zur Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und den baltischen Staaten. Die Schweizer Wirtschaft hingegen hat noch keine grosse “Baltikum-Euphorie” mit entsprechenden Aufträgen an den Tag gelegt, obwohl es im Baltikum schon einige Unternehmen mit schweizerischer Kapitalbeteiligung gibt.

Baltische Wirtschaft in Zahlen

Seit mehreren Jahren bemühen wir uns mit unserem wöchentlichen Newsletter, das interessierte deutschsprachige Publikum über die wirtschaftliche Entwicklung in den drei baltischen Staaten zu informieren. Die laufenden Newsletter stellen wir auf unserer Website kostenlos zur Verfügung (die älteren Jahrgänge können gegen einen Unkostenpreis auf CD bestellt werden).

Daneben möchten wir hier auf einige baltische, deutsche und EU-Quellen verweisen, die gute Zusammenfassungen zur Wirtschaftsentwicklung im Baltikum online zur Verfügung stellen.

Ländervergleich

Die Einkommensunterschiede zwischen Estland und Lettland nehmen in absoluten Zahlen weiterhin zu. Darüber hinaus ist Lettland in den letzten zehn Jahren zunehmend hinter Litauen zurückgeblieben. Das durchschnittliche Einkommen Lettlands liegt um ein Drittel oder zeitlich 15 Jahre unter dem EU-Durchschnitt. Estland und Litauen liegen doppelt so weit vor dem EU-Durchschnittseinkommen, als Lettland. Obwohl das Entwicklungstempo der Länder ähnlich ist, wird sich die absolute Einkommenslücke im Laufe der Zeit vergrössern, während die relativen Indikatoren gleich bleiben werden. Heute ist das Durchschnittseinkommen in Lettland um 20% niedriger als in Estland, und dies war bereits vor 15 Jahren so. Beispielsweise liegt das BIP Lettlands pro Kopf (Arbeitsproduktivität x Beschäftigungsquote x Länge der Arbeitswoche) weit hinter Estland und Litauen zurück.

Der Hauptteil der Einkommenslücke zwischen den Ländern wird durch die Arbeitsproduktivität bestimmt. Die Produktivität weist mit 12 von 15 Prozentpunkten und im Falle Litauens mit 7 von 13 Prozentpunkten die grösste Verzögerung hinter Estland auf. Das Ergebnis ist logisch und bestätigt die Worte des Nobelpreisträgers Paul Krugman: “Produktivität ist nicht alles, aber auf lange Sicht ist es fast alles.” Die Beschäftigungskomponente spiegelt den Anteil der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter, das Niveau der Wirtschaftstätigkeit und die Arbeitslosenquote. Bei allen drei Indikatoren hat Litauen in den letzten Jahren mehr Fortschritte erzielt, als in den anderen baltischen Staaten. Es gibt in diesem Land derzeit z.B. mehr Menschen im erwerbsfähigen Alter. Das Wachstum der Wirtschaftstätigkeit in Litauen war ebenfalls beeindruckend, was jedoch teilweise auf den niedrigen Indikator zu Beginn des Berichtszeitraums zurückzuführen ist. Die Differenz des relativen Einkommens wird auch durch die Komponenten Produktivität und Beschäftigung bestimmt. In den letzten Jahren war das Produktivitätswachstum in Lettland etwas schneller als in Litauen und Estland. Zum Teil, weil die Basislinie niedriger war - je niedriger das Produktivitätsniveau, desto einfacher, es zu erhöhen und alle anderen Indikatoren stabil zu halten. Strukturreformen sind erforderlich, um das Wachstum zumindest auf dem neuesten Stand zu halten.

Das Preisniveau war in Litauen traditionell niedriger als in Lettland - trotz höherer Einkommensniveaus. Tiefere Kraftstoffpreise in Litauen sind teilweise auf niedrigere Verbrauchsteuersätze zurückzuführen. Auch die Preise für Verwaltungs- und Versorgungs-leistungen (Strom, Gas, Heizung, Post) sind in Litauen seit der Jahrhundertwende viel langsamer angestiegen als in Lettland und Estland. Andererseits gibt es Argumente, die darauf hindeuten, dass das litauische Preisniveau möglicherweise unterschätzt wird, sodass das Realeinkommen überschätzt wird. So stellten die Vertreter der Swedbank fest, dass die Verbraucherausgaben in Litauen die Zahlen in Estland und Lettland deutlich übersteigen, für die es keinen objektiven Grund gibt. Der Unterschied der Konsumenteneinkommen kann auf eine signifikante statistische Überschätzung zurückgeführt werden, die das BIP (und damit das Einkommensniveau) künstlich erhöhen kann.

Im Jahr 2005 war die Qualität der lettischen und litauischen Behörden geringer als die Estlands. Seitdem hat sich Litauen aufgrund schneller Strukturreformen in Bezug auf die institutionelle Qualität schneller als Lettland an Estland genähert. Die institutionelle Schwäche verlangsamt jedoch das Wirtschaftswachstum. Lettische Ökonomen glauben, dass die Einführung bewährter institutioneller Praktiken es dem Land ermöglichen würde, sein Einkommenswachstum um etwa 0,8 Prozentpunkte pro Jahr zu beschleunigen, was auf lange Sicht eine grosse Zahl ist. Ihrer Ansicht nach müssen die Bürokratie abgebaut, der Anlegerschutz gestärkt und Strukturreformen zur Verbesserung der Qualität von Bildung und Gesundheitsversorgung durchgeführt werden. Laut lettischen Ökonomen würde dies ihrem Land ermöglichen, in nur einer Generation das erste in den baltischen Staaten in Bezug auf Wohlstand zu werden.

Quelle: Wirtschaftszeitung Delfi, 8.3.2021
Übersetzung: SBCC

Investitionen

Der finnisch staatliche Energiekonzern Fortum verkauft seine baltischen Fernwärmeunternehmen für 800 Mio. Euro an die Schweizerische Investmentgesellschaft Partners Group. Fortum plant, die Transaktion im zweiten Quartal dieses Jahres abzuschliessen. Das Unternehmen gab bereits 2019 bekannt, dass es erwägt, estnische Unternehmen zu verkaufen. Im vergangenen Jahr hat das Unternehmen beschlossen, all seine baltischen Unternehmen zu verkaufen. Fortum besitzt Fernwärmegeschäfte in Tartu und Pärnu sowie in Daugavpils und Jelgava Lettlands und Klaipeda Litauens. Ausserdem besitzt der Konzern in diesen Städten vier KWK-Anlagen und ist mit 49% an einem Kaunas-KWK-Kraftwerk beteiligt. Im Jahr 2020 erzeugten die baltischen Unternehmen von Fortum 1,4 Terawattstunden Wärme und 0,6 Terawattstunden Strom. Das Betriebsergebnis vor Abschreibungen (EBITDA) betrug 54 Mio. Euro.

Über die letzten Jahre hinweg hat Partners Group in Estland sämtliche Geschäfts- und Bankgebäude sowie Einkaufszentren erworben und dann wiederum weiterverkauft.

Quelle: Estnischer Rundfunk

Mehr Informationen unter: Partners Group acquires District Heating Platform …

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